Flüssiges, sicheres und genaues Lesen ist sowohl in als auch außerhalb der Schule von zentraler Bedeutung. Doch bringt viel lesen wirklich viel? Gerade in  Zeiten, wo Eltern und Schüler mehr auf sich alleine gestellt sind, braucht es leicht umsetzbare und praxisnahe Tipps um das Lesen zuverlässig und verständnisvoll zu fördern.

1. Förderdiagnostik

Von zentraler Bedeutung bei Leseschwierigkeiten ist es, entweder in der Schule, beim Beratungslehrer, einem Lerntherapeuten oder Facharzt eine Förderdiagnostik für den Schüler durchführen zu lassen. Bei stark verlangsamten Lesern oder Schülern mit gravierenden Schwierigkeiten beim Textverständnis, ist eine Diagnostik oder ein Screening sehr hilfreich. So erfährt man, wo im Leselernprozess der Schüler stehen geblieben ist. Erst dann kann man gezielt fördern. Nur viel lesen ist für Schüler die schon bei einzelnen Wörtern Schwierigkeiten haben, kontraproduktiv, sie fangen dann an zu raten und erschließen sich den Text über Vermutungen und Herleitungen aus ihrem Vorwissen. Jedoch reicht das spätestens in der weiterführenden Schule nicht aus, denn dann werden die Texte komplexer, nicht nur im Fach Deutsch. Manchmal kommen dann auch Schwierigkeiten im Fach Mathematik hinzu, da die Textaufgaben ungenau gelesen werden. Apropos Diagnostik, eine augenärztliche  und pädaudiologische Abklärung ist ebenfalls empfehlenswert.

2. Stufenweiser Aufbau

Üben Sie mit systematisch geordnetem Material. Es ist viel Material erhältlich, auch um zuhause zu üben. Sinnvoll wäre es, sich gezielte externe Unterstützung zu holen oder zumindest eine Begleitung bei der Umsetzung. Sobald klar ist, wo die Leseförderung ansetzen sollte, können die Eltern auch daheim weiter üben. Darüber hinaus ist es auf der Stufe des genauen Lesens wichtig, ungeübtes Material zu verwenden. Manchmal werden Texte in der Schule so oft gelesen, dass die Schüler mit einem guten Arbeitsgedächtnis diese Texte einfach auswendig lernen und dabei denken, ihre Lesefähigkeiten hätten sich verbessert.

3. Kurze motivierende Texte

Wie schon beschrieben, geben Sie Schülern, die sich noch sehr schwer mit dem flüssigen Lesen tun, kein ganzes Buch. Die gut gemeinte Geste kann kontraproduktiv sein und zu noch mehr Frust und Demotivation führen. Falls die Probleme auf der Wortebene liegen, üben Sie mit strukturiertem Wortmaterial. Wenn der Schüler hier schon sicher ist, gehen Sie zu kleinen Texten über. Sinnvoll sind Texte, die das Kind interessieren und wo es sich als „Experte“ sieht. Eine halbe bis eine ganze Seite Text, wo der Schüler sich intensiv mit dem Text beschäftigen muss, ist am Anfang völlig ausreichend.

Pauschal lesen zu empfehlen für alle, ist nicht hilfreich, es sollte schon das richtige Lesematerial sein. Eine befreundete Lerntherapeutin hat einen Text aus der Bravo zum Thema „schöne Haare“ herausgesucht, den Text für ihre Schülerin individuell angepasst und konnte somit auch einen Teenager zum Lesen motivieren. Wenn von Anfang an spannende Texte und strukturiertes Material genommen werden, ist die Chance viel höher, dass die Schülerin am Ball bleibt. Sie erlebt kleine Erfolgserlebnisse und kann wieder Freude am Lesen entwickeln.

4. Lautes Lesen

In einer Studie von Nix, Rieckmann und Trenk-Hinterberger (2007) zu Laut-Lese-Tandems zeigt sich, dass besonders lautes Lesen einen Effekt auf die Lesegeschwindigkeit hat. Üben Sie daher mit Ihrem Kind zuhause oder in der Schule das laute Lesen. Schicken Sie Ihr Kind nicht mit einem Buch in sein Zimmer, um zu lesen, da es möglicherweise nicht davon profitieren wird. Jedoch kann lautes Lesen nur dann sinnvoll sein, wenn es in einem geschützten Rahmen ist und nicht vor Klassenkameraden, die das Kind womöglich verhöhnen.

5. Nachteilsausgleich in der Schule

Hier können Sie als Eltern oder auch als Lehrer aktiv werden. Fällt Ihnen auf, dass Ihr Schüler/Ihr Kind ungern vorliest oder sogar starke Schwierigkeiten hat, sich schämt beim Vorlesen? Dann bringen Sie diesen Schüler nicht in eine solche Situation. Lesen ist für diese Schüler sehr mühsam und das laute Vorlesen kann zu mehr Frust führen, sodass das Kind sich „vorgeführt“ fühlt.

In Klassenarbeiten mag es sinnvoll sein, dem Schüler bei gravierenden Leseschwierigkeiten die Aufgaben vorzulesen oder er hat die Möglichkeit, sich nach seinem Tempo die Aufgabenstellung mit Hilfe eines Lesestifts vorlesen zu lassen. Fokussieren Sie sich auf die Stärken des Schülers und ermöglichen Sie ihm einen Nachteilsausgleich. Auch als Eltern können Sie den Lehrer darauf ansprechen und um einen Nachteilsausgleich bitten. Oft lassen sich ganz individuelle Lösungen finden, um diesem Schüler zu helfen.

Möchten Sie noch mehr Tipps? Dann kommen Sie zum kostenlosen Sommerprogramm. Am 10.9. 2020 gibt es einen Online Kurs zum Thema Nachteilsausgleich. Die Aufzeichnungen und Vortragsfolien vergangener Trainings sind auch nachträglich noch erhältlich. Eine Anmeldung lohnt sich jederzeit! Weitere Beiträge finden Sie auf dem Lerntherapie VS Blog.

 

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