Manchmal kann man sich noch so sehr anstrengen und trotzdem klappt es nicht mit dem Abschluss. Kein Weltuntergang.

Die Schuljahre in allen Bundesländern biegen dieser Tage in die Zielgerade ein. An integrierten Gesamtschulen werden die Abschlussarbeiten geschrieben, auch an Haupt- und Realschulen sieht es ähnlich aus.

Für nicht wenige von euch bedeuten diese Tage jedoch auch große Magenschmerzen, weil klar ist, dass ihr an eurer alten Schule den angepeilten Abschluss nicht schaffen werdet.

Natürlich ist das für die Betroffenen und deren Familien kein Grund für Wonne und oft genug mit einem gehörig schiefhängenden Haussegen verbunden. Aber es ist auch kein Weltuntergang, wegen dem man hoffnungslos sein müsste. Denn Berufsschulen ermöglichen es euch, selbst wenn ihr jetzt den Abschluss nicht gepackt habt, diesen nachzuholen – und teilweise sogar, ohne dass ihr Zeit verliert. Was ihr für Optionen habt und wie es abläuft, haben wir hier zusammengestellt.

Lernt man da nicht nur für den Beruf?

Die Berufsschule ist in den Köpfen vieler gleichbedeutend mit dem schulischen Anteil einer dualen Ausbildung, so wie sie von Automobilkaufmann bis Zerspanungsmechaniker in aberdutzenden Berufen gang und gäbe ist.

Ja, das ist auch Berufsschule und an vielen Standorten ist das tatsächlich auch die wichtigste Aufgabe dieser Institution.

Praktisch alle Berufsschulen in Deutschland eint jedoch, dass sie zusätzliche Kurse anbieten, auch ohne dass man eine Berufsausbildung absolviert. Das sind dann solche, in denen du deinen Haupt- oder Realschulabschluss bzw. das (Fach-)Abitur nachholen kannst.

Kostet mich das etwas?

Nein. Dazu musst du dich ein bisschen in das deutsche Schulpflichtsystem einarbeiten. Abhängig davon, in welchem Bundesland du lebst, bist du bis zu einem bestimmten Alter für insgesamt zwölf Jahre schulpflichtig. Das teilt sich auf in:

  • Neun Jahre Vollzeitschulpflicht
  • Drei Jahre Teilzeitschulpflicht

Am Ende deiner Haupt- oder Realschullaufbahn hast du zwar neun oder zehn Jahre absolviert, bist aber, sofern du keine Ausbildung anfängst, je nach Bundesland noch bis 18 oder gar 21 schulpflichtig, das heißt, du musst teilweise sogar weitermachen.

Die Berufsschulen sind in staatlicher Hand, sie werden also durch Steuern finanziert. Daher kannst du dich dort anmelden und ganz einfach wie gehabt an einem Abschluss arbeiten, nur eben in einer anderen Bildungseinrichtung.

Die schulischen Richtungen

Es ist zwar in allen Berufsschulen so, dass du dort, wenn es angeboten wird, Haupt- und Realschulabschlüsse sowie das (Fach-)Abi nachholen kannst.

In der Praxis sieht es jedoch so aus, dass viele Schulen eine Grund-Ausrichtung haben. Das gilt primär für ihren schulischen Anteil an der dualen Ausbildung, zieht sich dementsprechend aber auch in deine Abschluss-Nachholoptionen hinein:

  • Berufsschulen für Technik legen, wie der Name schon sagt, den Schwerpunkt des Unterrichts auf technische Inhalte, etwa auf mechanische Zusammenhänge, Materialien usw.
  • Berufsschulen für Wirtschaft hingegen sind voll im kaufmännischen Bereich angesiedelt. Dort lernst du dann beispielsweise, worauf es bei Buchhaltung ankommt, wie wirtschaftliche Zusammenhänge entstehen etc.

Es ist zwar letztendlich gleich, ob du etwa einen Realschulabschluss von einer wirtschaftlichen oder technischen Berufsschule bekommst, die sind immer gleichwertig.

Aber für deinen künftigen Berufsweg hat das sehr wohl Auswirkungen, weil die Schwerpunkte im Unterricht anders gelagert sind.

Bedeutet, du solltest also, bevor du dich für eine Schule entscheidest, zumindest eine grobe Richtung im Kopf haben, was du später werden möchtest und daran ausgerichtet die für dich passende Berufsschule auswählen, weil du dort im Unterricht vieles mitbekommen wirst, was dir dann in der Ausbildung hilfreich ist.

Deine Option für den Hauptschulabschluss

Wenn du an der Hauptschule den Abschluss nicht geschafft hast, bist du staatlicherseits etwas harsch als „Schulabbrecher“ eingestuft. Klingt wilder als es eigentlich ist.

Denn in der Berufsschule bist du damit Kandidat für ein Berufsvorbereitungsjahr(manche Bundesländer nennen es etwas anders, aber das ist der Gattungsbegriff).

Bei diesem, auch als BVJ abgekürzten Unterricht, gehst du ganz normal in Vollzeit für ein Jahr zur Schule. Was gelehrt wird, unterscheidet sich zwar ein bisschen zwischen den Bundesländern, aber ein normaler BVJ-Lehrplan sieht ungefähr so aus:

  • 120 Gesamtstunden Deutsch
  • 120 Stunden Sozialkunde
  • 80 Stunden Religion/Ethik
  • 80 Stunden Sport
  • 320 Stunden berufsbezogener (theoretischer) Unterricht
  • 480 Stunden Fachpraxisunterricht (also im Werkraum, an Computern usw.)

Hinzu kommen 160 Stunden Wahlpflichtfächer, von denen du zwei aussuchen kannst:

  • Berufsbezogenes Fach (da wird dann ein spezieller Faktor fokussiert)
  • Informatik (dabei lernst zu beispielsweise, mit moderner Buchhaltungssoftware zu arbeiten)
  • Förderunterricht (falls du in einem Fach etwas hinterherhängst)
  • Fremdsprache (meistens Englisch)

Nach einem Jahr hast du dann deinen Hauptschulabschluss in der Tasche und kannst weitermachen. Allerdings: Auch wenn du vieles lernen wirst, was dir bei einer Ausbildung helfen kann, wird dir das BVJ nicht auf die Ausbildungszeit angerechnet.

Deine Option für den Realschulabschluss

Entweder in dem Fall, dass du auf der normalen weiterführenden Schule keinen Realschulabschluss geschafft oder aber ein erfolgreiches BVJ absolviert hast, kannst du in das Berufsgrundbildungsjahr BGJ anpeilen.

Auch hier dauert die Sache ein Jahr in Vollzeit, aber das Niveau des Unterrichts ist naturgemäß etwas knackiger und viel mehr spezifisch berufsbezogen.

Würdest du beispielsweise in die Richtung Holz bzw. Zimmermann gehen wollen, sähen die Lehrplaninhalte pro Woche so aus:

  • 2 Stunden Deutsch
  • 2 Stunden Sozialkunde
  • 1 Stunde Religion
  • 2 Stunden Sport

Der viel größere Fokus liegt jedoch auf den knackig-berufspraktischen Inhalten:

  • 11 Stunden Grundlagen Holzprodukte
  • 6 Stunden Dachkonstruktionen
  • 5 Stunden Gründungen und Holzbau-Konstruktionen
  • 4 Stunden Wand- und Deckenkonstruktionen
  • 4 Stunden Grundlagen Innenausbau

Je nachdem, in welchen Beruf du gehen willst, sehen diese Spezialfächer natürlich ganz anders aus. Immer werden sie jedoch im BGJ den Großteil deiner wöchentlichen Unterrichtsstunden ausmachen.

Doch das hat für dich einen ganz dicken Vorteil. Denn du erwirbst so nach einem Jahr nicht nur deinen Realschulabschluss, sondern, wenn es thematisch passt, kannst dieses Jahr als erstes Ausbildungsjahr anrechnen lassen.

Das heißt, deine eigentliche Berufsausbildung verkürzt sich um ein ganzes Jahr – falls du auf der Realschule warst, verlierst du, obwohl du da den Abschluss nicht geschafft hast, also kein wertvolles Jahr, sondern bist auch dann mit der Berufsausbildung fertig, wenn es deine Realschul-Klassenkameraden sind.

Wichtig für dich: In den alten Bundesländern muss dir dein Ausbildungsbetrieb das BGJ anrechnen, in den neuen kann er es.

Deine Option für das Abitur

Du hast einen Realschulabschluss in der Tasche. Ob du diesen auf normalem Weg bekommen hast oder durch das Berufsgrundbildungsjahr oder durch eine mit guten Noten abgeschlossene Berufsausbildung, spielt keine Rolle.

In diesem Falle hast du die Möglichkeit, auf der Berufsschule auch zur Fachhochschulreife und zur allgemeinen Hochschulreife zu gelangen, das Stichwort lautet Berufsoberschule BOS.

  • BOS-1 bringt dich binnen eines Jahres in Vollzeit zur Fachhochschulreife
  • BOS-2 bringt dich, falls du die Fachhochschulreife vorweisen kannst, binnen eines weiteren Jahres zur allgemeinen Hochschulreife

Einziger Knackpunkt: Viele Berufsschulen nehmen in ihre BOS-Klassen nur Menschen auf, die eine abgeschlossene Berufsausbildung oder fünfjährige Berufserfahrung vorweisen können. Es gibt auch Ausnahmen, allerdings ist keine Pauschalaussage möglich, da hilft dir nur, anzurufen und direkt zu fragen.

Insgesamt kannst du aber eines mitnehmen: Egal ob du demnächst ohne Hauptschul- oder Realschulabschluss oder ohne Abitur von der Schule abgehen wirst, der Weg ist noch lange nicht zu Ende, wenn du es nicht möchtest.

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