Geschlechtersensible Sprache
„Männlich“ oder „weiblich“? Diese Kategorien sind für die meisten Menschen wichtig. Bewusst oder unbewusst verbinden wir damit Erwartungen und Verhaltensweisen. Ob jemand männlich oder weiblich ist, drückt sich auch in unserer Sprache aus. An manchen Stellen sind wir da allerdings nicht sehr genau. Die männliche Form kommt häufiger vor, ist dominant und diskriminierend. Sie wurde und wird teilweise noch immer auch für die Bezeichnung von Frauen mitverwendet. Mit Sonderformen, neuen Begrifflichkeiten und Konstruktionen möchten Vordenker/-innen geschlechtersensibler werden. Sie möchten mehr Geschlechtergerechtigkeit in die deutsche Sprache einführen.
Generisches Maskulinum – Was ist das?
Schüler* sollen in der Pause auf dem Flur nicht rennen.
In diesem Satz wird ein sog. Generisches Maskulinum verwendet. Darunter versteht man laut Duden die Verwendung der männlichen Form für weibliche sowie männliche Personen.
Das Generische Maskulinum wird manchmal markiert durch einen Asterisk, *. In einer Fußnote dazu wird dann erklärt, dass der Einfachheit halber die weibliche Form (also Schülerinnen) mitgemeint sei.
Das Generische Maskulinum ist schon lange nicht mehr zeitgemäß. Für seine Kritiker/-innen steht es für eine männlich dominierte Sprache, in der Mädchen und Frauen im wahrsten Sinne des Wortes „nicht der Rede“ wert sind. Dabei machen Frauen und Mädchen mindestens die halbe Menschheit aus. Für Frauen stehe in vielen Fällen eine Bezeichnung zur Verfügung und genügend Platz sei im Text sowieso vorhanden. Um mehr Präzision und Sorgfalt beim Formulieren, in diesem Zusammenhang auch „gendern“ genannt, müsse man sich bemühen.
Da, wo es noch kein Wort gibt oder nur ein unangemessenes, müsse man sich um ein neues Wort kümmern oder andere Ausdrucksweisen finden.
Verschiedene Geschlechter – Verschiedene Wörter
Um Frauen und Männer in unserer Sprache möglichst gleichberechtigt zu berücksichtigen, ist es naheliegend sowohl die jeweils weibliche als auch männliche Form aufzuführen.
Beispiele:
- Damen und Herren
- Lehrerinnen - Lehrer
- Krankenschwester – Krankenpfleger
- Hebamme - Geburtshelfer
Problematisch oder herausfordernd erweist es sich gelegentlich, zwei gleich gute Bezeichnungen zu finden, die allgemein verstanden und angemessen sind.
Manchmal leidet die Lesbarkeit etwas, wenn beide Formen konsequent in einem Text benutzt werden. Andere beklagen wiederum eine Übertreibung bezogen auf das Geschlecht, die vom Thema ablenkt.
Verwendung neutraler Formulierungen
Auch die Verwendung neutraler Formulierungen und Begriffe macht Sprache geschlechtergerechter.
Beispiele:
- Studierende anstelle von Studenten
- Lehrkraft anstelle von Lehrer
- Auf dem Schulflur soll nicht gerannt werden anstelle von Schüler* sollen auf dem Schulflur nicht rennen
Diese Variante hat den Vorteil, dass das Geschlecht im Satz ganz in den Hintergrund tritt. Die Formulierungen wirken eher formal, finden sich in Wissenschaft, in Verwaltungen und Gesetzestexten. Durch neutrale Formulierungen können auch Menschen, die weder eindeutig dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden sog. Zwitter, gleichberechtigt berücksichtigt werden. Viele werden einwenden, dass es sich dabei ja nur um eine sehr kleine Zahl von Menschen handelt. Das stimmt, aber eine demokratische Gesellschaft und somit auch ihre Sprache zeichnet sich dadurch aus, dass Minderheiten geschützt werden, d.h. eine möglichst gleichberechtigte Berücksichtigung im Leben erfahren.
Gendersternchen, Unterstrich und Co.
Immer häufiger sehen wir in Texten Wörter mit einem * in der Mitte, beispielsweise Schüler*innen. Diese Schreibweise gilt als geschlechtergerecht, entspricht aber nicht dem aktuellen amtlichen Regelwerk. Ähnliches gilt für die Verwendung des Unterstrichs wie in Lehrer_innen oder Lehrer_Innen.
Das Binnen-I (SchülerInnen) ist schon etwas älter, wird von einigen verstanden und akzeptiert aber nicht von allen. Neueren Datums ist die Verwendung der sog. X-Form. Lann Hornscheidt bezeichnet sich selbst als ProfessX. ProfessX Hornscheidt arbeitet an der Humboldt-Universität zu Berlin zum Thema Gender Studies und Sprachanalyse. In Großbritannien wurde 2015 die Bezeichung Mx zusätzlich zu Mrs, Mr und Ms in das Oxford English Dictionary aufgenommen. Mx wird verwendet für und von Menschen, die weder dem einen noch dem anderen Geschlecht zugeordnet werden möchten. Auch Menschen, die keinen Bezug zum Geschlecht überhaupt herstellen möchten, verwenden diese Form.
Sonderformen dieser Art entsprechen bisher nicht dem amtlichen deutschen Regelwerk, werden aber trotzdem immer wieder benutzt, beispielweise von manchen Behörden und auch an Universitäten.
Wir sollten sie kennen und verstehen.
Texte geschlechtergerechter machen – Praxistipps
Schülerinnen und Schüler schreiben viele Texte. Welche Möglichkeiten haben sie zur Zeit ihre Texte, geschlechtergerechter zu machen.
Allgemein kann man sagen:
Männer und Frauen werden zunehmend immer in der entsprechenden Form benannt. Passivkonstruktionen helfen ebenso wie die Verwendung des Plurals, Texte geschlechtergerechter zu formulieren.
In dem amtlichen Regelwerk enthalten sind Wendungen mit Schrägstrich und Klammern, z.B. Lehrer(innen), Schüler/-innen. Weitere nützliche Praxistipps findet man auf der Website des Gender-Online-Wörterbuchs von Frau Johanna Usinger.
Derzeit sieht der Rat für deutsche Rechtschreibung keine eindeutige Entwicklung wie durch weitere orthografische Änderungen die deutsche Sprache geschlechtergerechter gemacht werden kann. Aber im November 2018 soll eine Arbeitsgruppe, wenn möglich, angemessene Empfehlungen vorstellen, laut einer Pressemitteilung des Rats für deutsche Rechtschreibung vom 08.06.2018.
Geschlechtersensible Sprache – Gefahr der Hyperkorrektur?
Manche lehnen ein Bemühen um eine geschlechtergerechte Sprache ab, weil sie unsere Sprache sperrig mache und zu Absurditäten führe. Außerdem sei es wichtiger, sich um eine bessere Bezahlung von Frauenarbeit oder um Frauen in Führungspositionen zu kümmern.
An jedem Einwand ist schon etwas dran. Aber das eine schließt das andere nicht aus. Es gilt, dass sich mit der veränderten Beziehung von Frau und Mann in unserer Gesellschaft auch die Sprache ändert. Manches ergibt sich ganz automatisch, andere Veränderungen kommen erst mit einer gesellschaftlichen Debatte. Dabei geht es nicht darum, Sprache übertrieben geschlechtergerecht zu machen. Vielmehr muss das Ziel sein, in dieser Hinsicht möglichst genau, zumindest genauer zu werden als bisher.
Kommentar: Nicht nur ein Thema für radikale Feministinnen
Sprachliche Veränderungen lassen sich nicht verordnen. An manchen Stellen hat die deutsche Sprache gute Möglichkeiten Männern und Frauen, Mädchen und Jungen gerecht zu werden Sie kann sensibel mit Wünschen nach mehr Gleichberechtigung umzugehen.
An anderen Stellen wird sich noch etwas ändern müssen, in puncto Lesbarkeit oder Verständlichkeit, auch in der gesprochenen Sprache. Sonderzeichen und Abkürzungen bereiten oft Probleme. Wir dürfen gespannt sein, welche Anregungen die Arbeitsgruppe des Rats für deutsche Sprache uns im November 2018 gibt.
Insbesondere in der öffentlichen Verwaltung, der Juristerei, in akademischen Zusammenhängen und bei Stellenausschreibungen sind geschlechtersensible Formulierungen gebräuchlich, teilweise gesetzlich vorgeschrieben. Die Lebensbereiche, in denen „gendern“, d.h. ein Bemühen um eine geschlechtergerechte Sprache zwingend werden, nehmen ganz klar zu. Das Thema geht uns also alle an. Gelegentliche Übertreibungen schaden dabei nicht. Im Gegenteil, sie können witzig sein. Sie helfen uns, die richtigen Worte und Formulierungen zu finden, ohne den Humor zu verlieren.
Linktipps:
Online-Wörterbuch der geschlechtergerechten Sprache
Beispiel für einen Leitfaden zur geschlechtersensiblen und inklusiven Sprache – Universität Köln
http://www.gb.uni-koeln.de/gendersensible_sprache/index_ger.html
ProfessX Lann Hornscheidt in der Sendung nano in 3sat „Sag nicht Fräulein zu mir.“
http://www.3sat.de/page/?source=/nano/gesellschaft/195827/index.html
Buchtipp:
Luise F. Pusch Geschlecht und gerecht: Neue sprachkritische Glossen Kindle Edition 2014
Bildquellen:
Pettycon @ pixabay
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