Mit Lesetechniken schneller lesen
In Schule, Studium und Beruf sind wir aufgefordert, lange Texte zu lesen. Bei der Lektüre empfinden wir oft Anstrengung und Unlust. Wir kommen nur langsam voran. Effektives, schnelles Lesen ist jedoch eine wichtige Schlüsselkompetenz in unserer Wissensgesellschaft. Mit Lesetechniken lässt sich unser Lesetempo in vielen Fällen deutlich beschleunigen ohne erhebliche Einbußen beim Textverständnis in Kauf nehmen zu müssen. Können wir Bücher und Texte „verschlingen“?
Schnelllese-Techniken und ihre Grundannahmen
Es gibt eine Vielzahl an Techniken, Texte schneller zu lesen und zu verstehen. Sie werden vor allem in Ratgeber-Literatur und auf Seminaren von privaten Anbietern für die berufliche Weiterbildung präsentiert. Schnelllese-Techniken heißen z.B. „TurboLesen“, „SpeedReading“, „Scanning“, „Skimming“, oder „Flächenlesen“.
Beim Scanning sucht man slalomartig eine Textseite gezielt nach Informationen z.B. Begriffen ab, während es beim Skimming darum geht, Zeile für Zeile die Hauptaussage zu erfassen.
Alle Lesetechniken haben in der Regel das Ziel, strukturierter und zielgerichteter zu lesen und die gelesenen Informationen – je nach Bedarf - zu verstehen. Durch diese Art des Lesens soll das Lesetempo beschleunigt werden, ohne dass das Textverständnis leidet. Bei vielen Techniken geht man weg vom Erfassen einzelner Buchstaben und Wörter, weil dieses das Lesetempo unnötig verlangsamt, zum Teil sogar das Textverständnis verhindert. Man übt stattdessen größere Wortgruppen, Textpassagen oder gar ganze Seiten zu erfassen. Unser Gehirn ist dazu in der Lage. Als weitere Hemmnisse für schnelles Lesen gilt es, das innere Mitsprechen und das Rückspringen auf frühere Textpassagen aus Unsicherheit nicht verstanden zu haben, abzubauen.
Das gesamte Lesen geschieht darüber hinaus beim Schnelllesen unter dem Vorzeichen, den Text mit Tempo zu erfassen. Dabei vertraut man darauf, dass es möglich ist den Text dennoch –wie benötigt -zu verstehen. Gelesen wird schneller und gezielter als wir es aus dem Schulunterricht, insbesondere Grundschulunterricht, kennen. Es ist eine andere Art zu lesen, eine Kompetenz für fortgeschrittene Leser, die bestehende Lesekompetenzen nicht beeinträchtigen.
Man geht davon aus, dass wir circa 240 Wörter pro Minute lesen. Lesen wir langsamer, leidet sogar das Textverständnis, weil der Anfang eines Satzes bereits am Ende beim langsamen Lesen vergessen ist. „Sonntagsfahrer auf der Leseautobahn“ haben entsprechend kein besseres Textverständnis, im Gegenteil.
Manche Elemente des Schnelllesens tauchen im normalen Schulunterricht auf, werden aber nicht unter diesem Vorzeichen erlernt. Das Arbeiten mit verschiedenen Farbmarkierungen von Wörtern oder Textpassagen. (z.B. Namen – rot markiert, Jahreszahlen – grün, Fachbegriffe – blau) beschleunigt beispielweise das Lesen. Jeder Schüler kennt diese Technik.
TurboLesen und Querlesen: Beispiele
Das sog. TurboLesen ist der Ansatz von Rotraut Michelmann und ihrem Mann, die sich insbesondere mit der Erforschung des schnellen Lesens und einem entsprechenden Training für schnelleres berufliches Lesen einen Namen gemacht haben. Beim TurbolLesen geht man davon aus, dass Menschen so schnell lesen können wie sie schauen können. Bei ihrem Ansatz bewegt sich der Zeigefinger schnell über die Zeilen und auf diese Weise wird eine Lesebeschleunigung erzielt. Auf das übliche, innere Mitsprechen (Subvokalisation) soll dabei verzichtet werden.
Eine weitere interessante Lesetechnik ist das sog. Querlesen.
Die Lesetechnik des Querlesens ist nicht in erster Linie eine Schnelllese-Technik. Es ist vielmehr eine Technik, die nützlich ist, sich in einer bestimmten Situation einen Überblick über einen Text zu verschaffen. In dieser Situation sind wir häufig. Konfrontiert mit einem fremden Text, kann diese Methode sehr hilfreich sein.
Die SQR-Methode
Die S(Survey) Q(Question) R(Read)-Methode (SQR-Methode), die auf Francis P. Robinson zurückgeht, ist geeignet, um einen langen Text quer zu lesen.
Bei dieser Lesetechnik geht man zunächst in drei Schritten vor:
- Erster Schritt (Survey): Nutze circa 1-2 Minuten und schaue nach Texttitel, Kapitelüberschriften, der Autorin/dem Autor. Was steht im Inhaltsverzeichnis, im Buchklappentext, was steht im Glossar? Wie stellt sich der Autor/die Autorin vor. Kenne ich die Begriffe, die verwendet werden?
- Im zweiten Schritt (Question) steht die Frage nach dem eigenen Interesse am Text im Mittelpunkt. Warum möchte ich den Text/das Buch lesen? Auch welche Frage soll mir dieser Text/dieses Buch eine Antwort geben? Es wird deutlich, dass man sich spätestens nun fragen muss, welches Leseinteresse man hat.
- Im dritten Schritt geht’s ans Querlesen (Read). Wie macht man das? Man geht mit den Augen mit hoher Geschwindigkeit über den Text und sucht aktiv nach Antworten, arbeitet mit Textmarker. Besonders interessant sind hier wieder die Überschriften, Zusammenfassungen, Abbildungen und Tabellen. Man macht sich Notizen zu den Antworten auf die Fragen, die man hatte.
Es gibt erweiterte Formen dieser Lesetechnik, z.B. die SQ3R- Methode, die auf der SQR-Methode aufbaut. Nachdem man sich mit der SQR-Methode einen Überblick verschafft hat, werden bei der SQ3R-Methode anschließend die Fragen, die man an den Text hat, in eigenen Worten beantwortet. Auf buchliebling.com findet man weiteres zu dieser Methode.
Nicht nur Lesetechniken begünstigen schnelles Lesen
Schülerinnen und Schüler, die grundsätzlich viel Lesen sowie eine gute Allgemeinbildung haben, lesen schneller. Positiv beeinflussen wir schnelles Lesen auch durch:
- ein gutes Sehvermögen
- viel Vorwissen zum Thema
- durch Kenntnis des Fachvokabulars
- sowie durch ein hohes emotionales Interesse am Thema.
Es versteht sich also von selbst, dass Schülerinnen und Schüler nicht nur eine modische Brille benötigen, die Brille sollte auch die richtige Gläserstärke haben. Die durch Smartphones strapazierten Augen sollten öfter kontrolliert werden.
Gute Lichtverhältnisse, am besten Tageslicht, fördern schnelles Lesen. Um schnell lesen zu können, benötigen wir nicht zuletzt Lesepausen, Bewegung und genügend frische Luft.
Kaum ein Text enthält nur Wörter und Satzzeichen und Leerzeichen. In vielen Fachtexten oder in der Tageszeitung sieht man Diagramme, Listen oder Tabellen. Diese müssen mitgelesen werden. Eine Lesebeschleunigung umfasst entsprechend auch die Fähigkeit erläuternde Grafiken schnell zu verstehen.
Probieren geht über Studieren
Nach dem Turbo-Abitur, Speed-Dating nun auch noch Speed-Reading. Was soll das? Der Begriff Lesebeschleunigung wirkt da nicht ganz so cool und werbeträchtig, trifft aber den sinnvollen Kern des Anliegens. Die Teilnahme an teuren Kursen oder Schülersommercamps, um schneller lesen zu lernen, ist skeptisch zu sehen. Stattdessen sollten Schnelllese-Techniken auch im regulären Unterricht zunehmend mehr Beachtung in den Sekundarstufen bekommen. Schnelllesen ist mehr denn je eine Arbeitstechnik der Zukunft. Eltern können ihr Interesse an diesem Thema im Sinne ihrer Kinder auf Elternabenden oder durch Elternvertreter auf Schulkonferenzen formulieren. Mit erhöhtem Tempo einen Text lesen ist möglich, wenn es erforderlich ist. Man kann das Lesetempo durch Anwendung von Schnell-Lesetechniken verdoppeln. Die Effekte sind individuell verschieden. Manche Schülerinnen und Schüler profitieren sehr von Schnelllese-Techniken. Schnelles Lesen sollte also nicht mit einem Tabu belegt werden, denn es steht nicht für oberflächliches Arbeiten. Sog. Schnelllese-Techniken sind eine Art des strategischen Lesens mit Tempo. Die Lesebeschleunigung ist dabei oft ein positiver Nebeneffekt. Die Lesetechniken wirken in ihrer Beschreibung manchmal etwas geheimnisvoll. Die Geheimnisse können nur erfahren werden, indem man sie ausprobiert. In Nachmittags-AGs könnten Schnelllese-Techniken an Schulen unverkrampft und kostengünstig geübt und erlebt werden. In diesen AGs kann der Finger wieder zur Hilfe genommen werden, um beispielweise Zeilen schnell nach Fachbegriffen abzusuchen. Eine AG schafft einen Raum, in dem sich Schülerinnen und Schüler trauen, einfach weiter zu lesen, auch wenn ein unsicheres Gefühl bleibt, das bereits Gelesene nicht ganz verarbeitet zu haben. Der ein oder andere erfährt beim Ausprobieren überhaupt zum ersten Mal, dass er/sie ein langsamer Leser/eine langsame Leserin ist oder beeindruckende Schnelllesekompetenzen hat.
Zwei wichtige Einschränkungen müssen wir jedoch realisieren: Erstens: Das Lesetempo kann nicht unendlich erhöht werden. Zweitens: Wir benötigen regelmäßig, möglichst täglich Zeit, um diese Techniken zu üben, damit wir sie im Falle eines Falles parat haben. Wir müssen also an anderer Stelle Zeit investieren.
Linktipps
Einfache Tipps für ein schnelles Lesen
www.studium-ratgeber.de
Lesetechniken, zusammengestellt von der Universität Köln, die sich günstig auf das Lesetempo auswirken, wenngleich sie nicht als Schnelle-Lesetechniken deklariert sind.
www.uni-koeln.de
Über Lesetechniken: z.B. SQ3R-Methode
www.buchliebling.com
Tipps zum besseren Verständnis von Grafiken und Schaubildern des ARD-Bildungskanals BR-alpha
www.br.de
Testsieger von Lesetraining-Test bei Stiftung Warentest 2/2015 - ist die Smartphone-App Heku IT für 2,99 Euro
www.heku-it.com
Stiftung Warentest – Lesetrainings im Test (Februar 2015)
www.test.de
Buchtipps
Kuhn, B. et. al. Schneller lesen – leichter merken. Die erfolgreichsten Tipps, Methoden und Strategien Compact Verlag 2011
Michelmann, R. und W. U. Michelmann Effizient und schneller lesen. Mehr Know-how für Zeit- und Informationsgewinn Anaconda Verlag 2010
Schmitz, W. et. al. Schneller lesen - besser verstehen für Jugendliche Rowohlt Taschenbuch Verlag 2011
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