Kinder sind mehr als die Summe ihrer Noten
Die Zwischenzeugnisse sind geschrieben und verteilt, doch obwohl der erste Schreck verflogen ist, hängt in vielen Familien der Haussegen noch immer schief. Wenn das Zeugnis schlechter ausgefallen ist, als erhofft und womöglich noch den Hinweis enthält, die Versetzung sei „gefährdet“ oder sogar „sehr gefährdet“, wollen und können viele Eltern nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Schlechte Zensuren sind in deutschen Familien eine der Hauptursachen für Stress und Streit – besonders nach den Zeugnissen.
Doch auch wenn es manchmal nicht danach aussieht – den meisten Schülern ist es keineswegs egal, welche Note schließlich auf dem Zeugnis steht. Schlechte Noten sind in erster Linie für die Kinder ein Grund für Frust, Enttäuschung und Verzweiflung. Trotz des eigenen Ärgers dürfen Eltern daher nicht aus den Augen verlieren, dass ihre Kinder unter schlechten Noten noch mehr leiden, als Vater oder Mutter. Hinzu kommt, dass Angst („beim nächsten Mal schreibe ich bestimmt wieder eine 5“) und mangelndes Selbstwertgefühl („ich bin nichts wert, weil ich immer so schlechte Noten habe“) auch keine gute Voraussetzung für ein erfolgreiches Durchstarten im zweiten Halbjahr sind. Im Gegenteil – Angst erschwert das Lernen ungemein und ist geradezu ein Garant für Misserfolge.
Unterstützen statt meckern
Eltern tun deshalb gut daran, die eigenen Gefühle wahrzunehmen und dann im Sinne ihrer Kinder beiseite zu legen. Statt Vorhaltungen hilft allen Beteiligten, sich auf die positiven Ressourcen zu konzentrieren und realistische Ziele für die nächsten Wochen zu formulieren. Ganz wichtig: Vergleiche mit anderen unterlassen. Selbst wenn es wurmt, dass die Nachbarstochter scheinbar mühelos durch die Schulzeit gleitet, während der eigene Sprössling ständig am Abgrund entlang hangelt – Vergleiche, insbesondere auch mit den eigenen Geschwistern, wirken meist demotivierend.
Zuversicht und Motivation entstehen dagegen, wenn
- Eltern Anstrengungen und Fortschritte anerkennen (zum Beispiel Lernen vor einem Test oder ordentliche Mappenführung), auch wenn sie sich nicht unmittelbar in einer Note ausdrücken.
- Gute Leistungen gesehen und gelobt werden.
- Eltern ihre Kinder beim Lernen unterstützen, ohne sie zu bevormunden. Zum Beispiel indem gemeinsam realistische Ziele formuliert werden und Strategien überlegt werden, wie diese erreicht werden können.
- Positiv gedacht wird – statt „Du hast 20 Fehler“ besser „Du hast fast alle Groß- und Kleinschreibungen richtig hingekriegt“.
- Gefühle der Kinder ernst genommen werden und ihnen vermittelt wird, dass sie unabhängig von ihren Noten geliebt werden.
Es passiert nur allzu leicht, die vielen guten Eigenschaften aus den Augen zu verlieren, die jedes Kind hat, wenn der Blick nur immer auf der Note klebt. Dabei hilft es gerade bei schlechten Schulleistungen, sich auf Stärken und Interessen zu konzentrieren, die deutlich machen: „Ich kann was, mir macht das Spaß.“ Auch hilfreich: Die Perspektive nicht aus den Augen verlieren. Auch wenn es sich vielleicht im ersten Schreck so anfühlt – auch eine Fünf auf dem Zeugnis ist nicht das Ende der Welt. Schließlich:
- Sind die Zensuren auf dem Halbjahreszeugnis ein Zwischenergebnis und viele Pädagogen verteilen jetzt lieber die schlechtere Note mit der (irrigen) Begründung, das würde für die nächsten Monate motivieren.
- Sind Noten auch immer stark von der Person des Lehrers abhängig und können sich entsprechend ändern.
- Sind meist nicht alle Noten schlecht und Kinder haben neben Schwächen auch Stärken in anderen Fächern.
- Können schlechte Schulnoten auch entwicklungsbedingte oder familiäre Gründe haben, die sich wieder legen.
- Ist selbst das Wiederholen einer Klasse kein Drama, auch wenn es natürlich für jedes Kind schwierig ist, sich damit anzufreunden.
Kinder müssen wissen, dass ihre Eltern auf ihrer Seite sind und sie unterstützen. Wenn Einstellung und Selbstvertrauen stimmen und Kinder wissen, dass sie nicht auf ihre Noten reduziert werden, ist das die beste Voraussetzung für bessere Leistungen im nächsten Halbjahr.
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